Ehemals geheime Beschlüsse des Stadtrates

Das war ein nicht ganz einfaches Transparenzverbesserungsprojekt.

2016 wollte ich mir die in nichtöffentlicher Sitzung gefassten Stadtratsbeschlüsse ansehen, bei denen der Grund der Geheimhaltung entfiel. Hierzu heißt es in der bayerischen Gemeindeordnung

Artikel 52, Absatz 3:
„Die in nichtöffentlicher Sitzung gefassten Beschlüsse sind der Öffentlichkeit bekanntzugeben,
sobald die Gründe für die Geheimhaltung weggefallen sind.“

Mir wurde dann gesagt, ich solle mit Frau Achatz einen Termin vereinbaren,  um den Ordner mit dieser Art Beschlüsse einzusehen.  Das schien mir nicht dem  Sinn „der Öffentlichkeit bekanntzugeben“ zu entsprechen. Die Formulierung ist ein aktiver Auftrag.  Daraufhin schrieb ich im Januar 2017 eine Eingabe an den Stadtrat. In der Niederschrift der Sitzung vom 21.2.2017, in der meine Eingabe behandelt wurde, heißt es:

Zur Eingabe von Herrn Brecht lt. Schreiben vom 04. Januar 2017, um nichtöffentlich gefasste
Beschlüsse, bei denen der Geheimhaltungsgrund weggefallen ist, auf die Webseite der Stadt
Füssen bekannt zu geben nimmt die Verwaltung wie folgt Stellung:

Stadtrat 21.2.17 Niederschrift

Dann folgt die Stellungnahme der Verwaltung, die die Veröffentlichung im Internet ablehnt.  Stattdessen wurde als Verbesserung beschlossen, dass die Ordner mit den ehemals geheimen Beschlüssen in der städtischen Bibliothek aufgestellt werden.

Zu den ehemals geheimen Beschlüssen gehören auch städtische Auftragsvergaben. In vielen anderen Städten werden die online veröffentlicht. Natürlich mit der Angabe, an wen der Auftrag vergeben und zu welchem Preis.  Die Uhren in Füssen sollten aber weiterhin anders ticken. Aus der Niederschrift:

„Stadtrat Dopfer fragt, ob hier auch Preise und Namen mit drin sein sollen.
Hauptamtsleiter Rist sichert zu, dass Preise sowie auch Namen geschwärzt werden.“

Völlig absurd, welchen Sinn hat dann die Veröffentlichung?  Die Ordner standen nach dem Beschluss dann in der Bibliothek.  Und was war darin zu finden?  Die ehemals geheimen Beschlüsse vor einem Jahr und älter.   Richtig gelesen! Es dauerte immer mindestens ein Jahr bis zum Abheften.  Was sagt die Gemeindeordnung (s.o.): „Sobald die Gründe der Geheimhaltung weggefallen sind“.

Wie dem auch sei, die Verwaltung scherte sich nicht darum und mauerte. In den Beschlüssen im Ordner waren die Namen bei Aufträgen und die Auftragssumme öfter geschwärzt, öfter nicht.

das Zeitalter der verschlossenen Rathaustüren zu diesem Thema endete erst 2019. Im Januar war ich zu einem Gespräch bei Herr Peter Hartl, neuer Leiter der Verwaltung, und brachte diesen Punkt an.

Seit der Stadtratssitzung vom 26. Februar 2019 werden die nichtöffentlich gefassten Beschlüsse nun in der darauffolgenden Sitzung öffentlich bekanntgegeben. Tagesordnungspunkt

1.1 Bekanntgabe nichtöffentlicher Stadtratsbeschlüsse

Hier werden besonders Auftragsvergaben veröffentlicht. Was wurde vergeben, an wen und zu welchem Auftragswert. Und in der Niederschrift der Sitzungen sind diese Vergaben enthalten.

Füssen ist damit bei diesem Thema endlich bestmöglich transparent. Zwei Jahre nach meinem Antrag wird es genau so gehandhabt, wie meine Eingabe beantragte. Hier können sich die Bürger zu Recht beim neuen Verwaltungsleiter bedanken, der diese Selbstverständlichkeit einführte. Wieso der vorherige Leiter meinte, „Preise und Namen“ zu schwärzen, ist mir unverständlich.

Diese „Geschichte“ ist nur ein Beispiel dafür, wie bestmögliche Transparenz bis Ende 2018 in der Führung der Stadt nicht erwünscht war.

 

 

5 Kommentare

  1. Veröffentlicht von Fred Fiasse am 17. September 2019 um 7:48

    Hallo Jürgen, danke für deinen Einsatz. Werden nun diese Beschlüsse auch in den Niederschriften der darauffolgenden Sitzung online veröffentlicht oder muss man hierzu ins Rathaus gehen?

    Antwort: Die Niederschriften sind schon länger erfreuliche detailliert online https://www.stadt-fuessen.de/sitzungsniederschriften.html

    Ich weiß nicht, ob die weiterhin auch im nächsten Jahr dort abgelegt werden, oder nur noch im neuen Informationssystem.

  2. Veröffentlicht von Fred Fiasse am 11. Oktober 2019 um 11:56

    Danke, die Seite kenne ich. Aber woher weis ich wann nichtöffentliche Beschlüsse gefasst wurden und zu welchem Thema und wann diese veröffentlicht wurden. Darf auch ein Ausschuss nichtöffentlich beschließen? Oder nur der Stadtrat? Wie ist es wenn es eigentlich garkeinen Grund für eine Geheimhaltung gab, kann man das anfechten bzw. müsste so ein Beschluss öffentlich nachgeholt werden? Ich warte auf die Veröffentlichung eines bestimmten Beschlusses, wo ich meine der hätte öffentlich gefasst werden müssen.

  3. Veröffentlicht von Jürgen Brecht am 11. Oktober 2019 um 14:40

    Die Tagesordnung der nichtöffentlichen Sitzung ist in Füssen nicht öffentlich. Etliche andere Städte veröffentlichen diese, natürlich nicht konkret. Dort heißt es dann z.B. „Grundstücksangelegenheiten“.

    Nichtöffentliche Tagesordnungspunkte gibt es besonders im Stadtrat und im Ausschuss für Haushalt, Finanzen, Personal (HFP). In einer der folgenden öffentlichen Sitzungen werden die Beschlüsse aus nichtöffentlicher Sitzung bekanntgegeben, bei denen der Grund der Geheimhaltung entfiel. Das sind z.B. Auftragsvergaben oder Personalentscheidungen.

    Sollte ein Beschluss zu Unrecht in nichtöffentlicher Sitzung gefällt werden, ist er laut Auskunft dieser Rechtsseite ungültig:

    „Der Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit der Sitzung führt nach neuerer Rechtsprechung des BayVGH zur Unwirksamkeit des gefassten Beschlusses. Die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes stellt einen gravierenden Verstoß gegen tragende Verfahrensprinzipien der Kommunalverfassung dar, der die Ungültigkeit des Satzungsbeschlusses zur Folge hat.“

    https://www.juracademy.de/kommunalrecht-bayern/geschaeftsgang-gemeinderat-bayern.html

  4. Veröffentlicht von fred Fiasse am 31. Oktober 2019 um 11:11

    Vielen Dank für die Hinweise, dann gehe ich der Sache mal nach.

  5. Veröffentlicht von Almdudler Franziska am 7. November 2019 um 19:20

    Toll! Danke Herr Brecht!

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